Samstag, 2. März 2013

Systemsiche Lernkultur II

Um meinen letzen Eintrag fortzusetzen, möchte ich auch heute wieder auf meine Lektüre von "Einfach Systemisch" eingehen.

Letztes Mal sprach ich bereits die "Raumgestaltung" als Faktor der systemischen Lernkultur an. Heute möchte ich gerne über "Selbstorganisaton und Eigenzeit" sprechen. Denn auch in Punkto Selbstorganisation habe ich Erfahrungen gesammelt. Hier noch zur Zeit meines Referendariats in Deutschland.

Dort habe ich eine als "sehr schwierig" beurteilte (oder verurteilte?) Klasse unterrichten dürfen und führte im Fach Englisch innerhalb von vier Wochen eine Unterrichtseinheit in Form von Lernstationen durch. Die Schüler konnten sich dabei selbst Stationen wählen und bestimmen welche Aufgaben sie wann, in welcher Sozialform und wie bearbeiteten. Zu jeder Station erarbeiteten sie ein Produkt, welches dann von den Schülern in einer Art Mappe festgehalten wurde. Die Klassenlehrerin erklärte mir direkt zu Beginn, dass sie bereits alles versucht habe, um die Schüler dieser Klasse dazu zu bringen, im Unterricht Englisch zu sprechen, allerdings alles vergeblich. "Die sprechen eh nur Deutsch und Hausaufgaben brauchst du denen auch nicht geben wollen - die machen sie eh nie."

In der Einführung meiner Einheit erläuterte ich dann direkt, wie viel Eigenverantwortung die Schüler tatsächlich übernehmen konnten, erklärte, wie sie, durch eigene Planung und Zielsetzung genau die Leistung, und damit auch die Endnote, erreichen konnten, die sie anstrebten. Ich machte deutlich, dass ihnen in dieser Einheit sehr viel mehr Freiräume gegeben sein würden als sonst und dass diese einhergingen mit mehr Verantwortung für das eigene Handeln. In diesem Rahmen schlug ich unter anderem vor, "From now on, for the duration of this unit, you are allowed to speak to each other about whatever you want. You can talk about what you did on the weekend or who you think is hot or which teacher you find annoying. You can talk about anything - as long as you do it in English."

Die Schüler konnten es überhaupt nicht fassen und suchten mich tatsächlich gleich mehrmals an diesem Tag im Lehrerzimmer auf, um nachzufragen, ob sie denn nun wirklich im Unterricht über Unterrichtsfremdes sprechen dürfen, solange sie es auf Englisch täten.

Die Einheit verlief für mich ausgesprochen zufriedenstellend und für die Klassenlehrerin sehr überraschend. Sämtliche Schüler begannen ohne Zwang konsequent englisch zu sprechen - und nicht nur das, darüber hinaus korrigierten sie sich unaufgefordert, sollte einmal jemandem aus Versehen ein deutsches Wort herausrutschen. Zusätzlich begannen die Schüler ebenfalls unaufgefordert, kurz vor Lektionsende sich von mir Zusatzaufgaben zu erfragen, welche sie mit nach Hause nehmen konnten, um ihre Mappe zu bereichern oder vorzuarbeiten (um in der nächsten Lektion mehr Zeit für Privatgespräche zu haben). Viele merken gar nicht, dass sie dabei waren, die Lehrperson um mehr Hausaufgaben zu bitten.

Die gesamte Klasse arbeitete wirklich ausgesprochen hart und zielstrebig in dieser Einheit und viele konnten danach eine deutliche Leistungssteigerung aufweisen. Für mich persönlich am schönsten war jedoch, dass ein Schüler, welcher dafür bekannt war, mit verschiedenen Lehrpersonen stets über seine Leistungsbeurteilungen zu diskutieren, diesmal auch nicht viel besser als sonst abschnitt, dafür aber völlig zufrieden mit seiner Beurteilung war, zumal er selbst bemerkte, "Wenn ich eine bessere Note gewollt hätte, hätte ich nur mehr tun müssen."

Ich kann also aus eigener Erfahrung bestätigen, dass es sich durchaus lohnt, den Schülern mehr Selbstorganisation und mehr Freiheiten im Rahmen der Gestaltung ihrer Eigenzeit zuzugestehen. Sehr oft wirkt sich genau diese Freiheit positiv auf das Lernverhalten der Schüler aus.

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